Skip to main content

Manchmal wünsche ich mir, weise zu sein. Antworten auf alle Fragen zu wissen. Immer das Richtige zu tun. Die richtigen Worte zu finden, im richtigen Moment zu schweigen. Mich und mein Leben und die Welt zu verstehen. Wo lernt man das?

Die Schule hat gerade wieder begonnen. In der Schule habe ich eine Menge gelernt. Rechnen und Schreiben. Lesen – unersetzbar! Physik und Chemie. Geographie und Sprachen. Eine Menge Wissen, von dem ich vieles schon wieder vergessen habe. Aber manches ist mir auch geblieben. Im Studium habe ich dann noch mehr gelernt. Bibelkunde und Kirchengeschichte. Praktische Theologie und alte Sprachen. Macht mich all das Wissen weise? Es hilft mir, manches besser einzuordnen, was passiert. Dinge zu verstehen und meine Schlussfolgerungen daraus zu ziehen. Aber weise? Weise bin ich durch das Wissen nicht geworden.

Das Leben hat mich noch ganz anderes gelehrt: Wie ist es, glücklich zu sein? Wie gehe ich mit dem Ende von Glück, mit Schmerz und Enttäuschung um? Wie gehe ich mit anderen so um, dass das für sie und für mich gut ist? Wie gehe ich an Aufgaben heran und wie lerne ich aus Fehlern? Was tue ich, wenn ich nicht mehr weiterweiß? Wie bitte ich um Hilfe? Andere Menschen haben mich vieles gelehrt, haben mir gezeigt, wie Leben funktioniert, wie wichtig Güte und Großzügigkeit sind und wie schlimm es ist, wenn sie fehlen. Wie man sich einsetzt und wie Gemeinschaft gelingen kann.

Vielleicht steckt in der Mischung von Wissen und Erfahrungen ein Stück Weisheit. Denn manches sehe ich gelassener als vor ein paar Jahren, mit manchem komme ich besser zurecht. Aber weise? Weise bin ich noch lange nicht.

Ich sehe Menschen vor mir, die ich als weise bezeichnen würde: Mit Dankbarkeit und Humor blicken sie auf ihr Leben. Sie nehmen sich selbst nicht zu wichtig, aber sie achten sich und andere. Sie sind durch schwere Erfahrungen nicht bitter geworden. Sie strahlen Güte und Freundlichkeit aus. Sie sind für andere da, aber sie wissen auch, wo sie dafür Kraft schöpfen können. Sie blicken realistisch und trotzdem mit Hoffnung in die Welt. So wäre ich gern! Wie könnte ich so werden?

„Gott lieben, das ist die allerschönste Weisheit.“ (Sirach 1, Vers 10 – Monatsspruch September)

Der Monatsspruch September sagt etwas Spannendes: Gott zu lieben, ist weise. Was könnte das bedeuten? Wer Gott liebt, weiß um dessen Liebe zu uns, die uns hilft, uns selbst und andere zu lieben, mit den guten Seiten und auch mit Fehlern und Macken. Wer Gott liebt, kann Hoffnung haben, weil Gott diese Welt und unser Leben in der Hand hält und bewahrt. Wer Gott liebt, ist unabhängiger von den Urteilen anderer, weil seine Liebe zu uns feststeht. Wer Gott liebt, weiß, dass der uns in schweren Zeiten nicht allein lässt. All das kann uns weise machen.

Ich will versuchen, es zu lernen und immer mehr in mein Leben hineinzunehmen: Gott zu lieben und mit ihm in Verbindung zu bleiben. In der Gemeinde meine Heimat zu suchen. Das ist doch ein guter Plan für das neue Schuljahr und mein ganzes Leben! Machen Sie mit?

Pfarrerin Ulrike Penz

 

Wissen hilft, manches besser einzuordnen. Aber macht all das Wissen weise?