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Kommen Sie mit auf den Friedhof in Mylau im Vogtland? Oder auf den in Netzschkau? Denn hier und auf vielen anderen Friedhöfen in Sachsen versammeln sich Christen jedes Jahr am Johannistag zu einer Andacht. Warum? Und warum hier?

Ein halbes Jahr vor Weihnachten feiern wir den Geburtstag Johannes‘ des Täufers. Er hat Menschen getauft und hat sie auf Jesus Christus hingewiesen. Dabei hat er sich selbst nicht so wichtig genommen – und beschreibt das so:

„Er [Jesus Christus] muss wachsen, ich aber muss abnehmen.“ (Johannes 3, Vers 30)

Wachsen und Abnehmen...

...erleben wir immer wieder. In der Natur ist es am deutlichsten: Wo im Winter alles kahl war, blüht und gedeiht es jetzt – und wird dann auch wieder verblühen und verwelken. Jetzt sind die Tage besonders lang, aber sie beginnen nun, wieder kürzer zu werden. Und im Leben ist es nicht anders: Wir wachsen, werden stärker, lernen vieles, haben Erfolge. Später beginnen die Kräfte wieder nachzulassen und irgendwann wird unser Leben zu Ende gehen. Deshalb kommen wir auf dem Friedhof zusammen – wo wir uns auch an die erinnern, die wir gehen lassen mussten und die uns fehlen.

Wie vergänglich das Leben ist, haben wir in den vergangenen Monaten besonders schmerzlich erfahren: Ein Virus hat unser ganzes Leben durcheinandergebracht. Wir haben hautnah erfahren: Wir haben nicht alles in der Hand. Viele Menschen sind gestorben – auch in unserem Altenpflegeheim „Am Schlosspark“ in Netzschkau. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dort sind bis an die Grenze ihrer Kraft belastet worden und mussten zudem mit den Verlusten zurechtkommen. Andere sind – wie viele der Bewohnerinnen und Bewohner – krank geworden. Wir sind verletzlich, unser Leben ist gefährdet. Das gilt immer, aber jetzt war es besonders deutlich zu erleben.

Was gibt uns im Werden und Vergehen Halt?

Am Johannistag – und sonst auch – fragen wir: Was gibt uns im Werden und Vergehen Halt? Johannes der Täufer zeigt auf Jesus Christus. Er ist da – in allem, was wir erleben. Er zeigt uns Gottes Liebe, auf die wir uns verlassen können. Er hat Schönes und Schweres erlebt, hat mit uns gelebt und ist gestorben wie wir – er kann also immer an unserer Seite sein. Er ist aber durch den Tod hindurch ins Leben gegangen – und zeigt uns damit, dass alles Werden und Vergehen ein Ziel hat: Unser Weg führt uns am Ende zu Gott, der stärker ist als der Tod. Bei ihm sind wir zu Hause – jetzt schon und dann für immer.

Lassen wir uns am Johannistag – auf dem Friedhof oder anderswo – daran erinnern: Ja, unser Leben ist verletzlich und vergänglich. Ja, immer wieder wächst Neues und anderes vergeht. Aber auf Jesus Christus ist Verlass. Er geht unsere Wege mit uns und möchte uns zum Ziel unseres Weges begleiten. So können wir das Vergehen aushalten und das Werden genießen. Das wünsche ich uns – für den Johannistag und alle anderen Tage.

Ihre Pfarrerin Ulrike Penz

 

Friedhof in NetzschkauDer Friedhof in Netzschkau – hier versammeln sich Christen jedes Jahr am Johannistag zu einer Andacht.